
25 Mitgliedern und Freunde der Senioren-Union trafen sich am 1. Februar 2022 in der Lounge Bowling in Seelscheid zum 1. Jour Fixe dieses Jahres.
Herr Michael Jäger sprach zum Thema:
„Der Brexit“ (Historie-Erwartungen-Durchführung-Ergebnisse-Erkenntnisse)
Herr Jäger war viele Jahre im Management von Walterscheid/GKN tätig und hatte engste Kontakte nach England zur GKN-Zentrale. Er führte anschließend 22 Jahre als Vorstandsvorsitzender den Verband der Arbeitgeber Köln e.V.
Zusammengefasster Vortragsinhalt:
Nach mehrfachen Beitrittsanträgen GB´s zur EWG in den 1960er Jahren, die alle von F abgelehnt wurden, trat GB am 1.1.1973 der EWG bei, aus der dann 1993 die EG bzw. die EU entstand. GB war die drittgrößte Wirtschaftskraft der Gemeinschaft und einer der großen “EU-Nettozahler“. Die Briten waren, aufgrund ihrer geschichtlich weltweit bedeutenden Kolonialmachtstellung, schon immer sehr selbstbewusste, schwierige Vertragspartner.
Die ständig wachsende Kritik der britischen Bevölkerung an der EU (politischer Souveränitätsverlust, Fremdbestimmung durch Brüssel, zu hohe EU-Kostenbelastung, hohe Zuwanderung aus den anderen EU-Ländern, EU-Recht übergeordnet über das eigene nationale Recht u.a.) wurde von der UKIP stark geschürt, z.T. auch durch bewusste Falschbehauptungen und Lügen. Der zunehmende innenpolitische Druck führte dann 2016 zum Referendum über die Mitgliedschaft in der EU. Bei hoher Wahlbeteiligung votierten knapp 52% der Wahlbeteiligten für den Austritt aus der EU, nur die Regionen Schottland und Nordirland waren deutlich für den Verbleib in der EU.
Nach zähen, langwierigen Austrittsverhandlungen, mehrfach unterbrochen von Regierungs-krisen und -wechseln in GB, einigte man sich mit der EU und der Austritt Großbritanniens erfolgte nach 47jähriger Mitgliedschaft am 31.1.2020. Es folgte eine einjährige Übergangsfrist zur Anpassung. Seit Ende 2021 ist das Vereinigte Königreich auch nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion.
Die seit 2020 vorhandene Corona-Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen überlagerten die Auswirkungen des Brexits; aber dennoch ist sicher, dass der EU- Austritt bisher weder für das Vereinigte Königreich noch für die EU positiv ist.
Hier einige Beispiele:
-Der Export in die EU ist nur zollfrei für Waren, die zu 100% in GB produziert wurden, wie z.B. für landwirtschaftliche Güter. Aber die erforderlichen Zollformalitäten und die Abwicklung sind umfangreich, schwierig und sehr aufwendig. Bei Produkten, die nicht im Inland produzierte Teile oder Komponenten enthalten, müssen diese herausgerechnet und verzollt werden.
Diese Regel gilt gleichermaßen für den Import aus der EU. Sie behindert auf beiden Seiten insbesondere die mittelständigen Unternehmen und die Dienstleistungsbereiche, die in der Folge einfach auf den Export verzichten.
-Die Einhaltung der EU-Regeln für die Lebensmittelsicherheit und für Produktstandards muss nachgewiesen werden.
-Der britischen Dienstleistungsbranche wurde der Zugang zur EU deutlich erschwert.
-Die EU-Fischer müssen auf 25% ihrer Fangquote in den britischen Gewässern verzichten.
-Die Personenfreizügigkeit ist stark eingeschränkt. Wer in GB arbeiten und leben will muss ein Visum beantragen und besitzen. Die Erteilung ist geregelt durch ein punktebasiertes System. Andrerseits dürfen Briten max. 3 Monate ohne Visum in der EU bleiben. Als Folge haben EU-Bürger und Osteuropäer das Land in Scharen verlassen. Der Mangel an z.B. LKW-Fahrern, Ärzten, Handwerkern und sonstigen Fachkräften ist sehr groß. Ausländische Studenten gibt es kaum noch.
-Ein großer Teil des Finanzbereichs ist schon von London in EU-Länder abgewandert.
-Die Industrie ist geschrumpft, die Produktion hat deutlich abgenommen.
-Die Lebenshaltungskosten haben sich deutlich erhöht.
Für die nahe Zukunft wird eine Abnahme des Bruttosozialproduktes von min. 6% für GB erwartet.
Sonderrolle für Nordirland
Um ein Aufflammen der ehemaligen Konflikte zwischen Irland (EU) und Nordirland (UK) zu vermeiden, wurde die EU-Außengrenze in die Irische See verlegt. Die Zollkontrollen finden also beiderseits in den Häfen der Irischen See statt. Es gibt keine Zollgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. Dadurch erhält Nordirland praktisch direkten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Diese Sonderrolle wird alle 4 Jahre in Nordirland zur Abstimmung gestellt.
Trotz der schon jetzt deutlich spürbaren negativen Folgen des Brexits besonders für Großbritannien würde nach Ansicht der „England-Kenner“ eine erneute Abstimmung zum EU-Austritt ähnlich ausgehen wie 2016, was sicher der Mentalität des Volkes geschuldet ist.
Wir danken Herrn Jäger für seinen anschaulichen Vortrag, der uns wieder einmal die Vorteile der EU deutlich machte.
su-nks
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