Jour Fixe Videokonferenz mit Axel Voss am 31.03.2021

Videokonferenz mit Axel Voss am 31.03.2021

Liebe Mitglieder und Freunde der Senioren Union,

am 31. März fand die Video-Zoom-Konferenz mit unserem Europaabgeordneten Herrn Axel Voss statt, wie wir es Ihnen mit unserem Ostergruß auch mitteilten. Herr Voss, der unsere Region seit 12 Jahren für die CDU in der EVP im EU-Parlament vertritt, sprach und diskutierte ca. 2 Stunden mit den 12 Konferenzteilnehmern über die von uns gewünschten und Ihnen bekannten Themen.         

Nachfolgend eine inhaltliche Zusammenfassung der Ausführungen von Herrn Voss:

Einleitung von Herrn Voss
Seit über einem Jahr ist die Parlamentsarbeit überlagert von der Corona-Pandemie. Es finden kaum noch Präsenzveranstaltungen statt, dadurch ist die Arbeit des Parlaments sehr viel schwieriger und steriler geworden. Der wichtige, informelle Gedankenaustausch und die direkten Gespräche zwischen den Parlamentariern fehlen den Abgeordneten sehr.

Zum Resümee über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft (1.07. – 31.12. 2020)
Das Ergebnis zur deutschen Ratspräsidentschaft ist zwiespältig.
Positiv ist zu bewerten:

- dass in letzter Minute ein Abkommen mit GB über den Brexit und damit die Vermeidung eines harten Brexits erzielt werden konnte.                                                                                                              

- die Verabschiedung des EU-Haushaltes 2021 und des mittelfristigen EU-Finanzrahmens bis 2027.

Nicht zufriedenstellend ist: 
- die Covid 19 Impfstoffbeschaffung durch die EU.

Grundsätzlich wird die gemeinschaftliche Beschaffung durch die EU als richtig und solidarisch bewertet. Allerdings haben die EU-Schwerfälligkeit sowie Preis-, Zulassungs- und Haftungsfragen die Verhandlungen mit den Herstellern erschwert, deutlich verzögert und teilweise zu unbefriedigenden Liefermengen geführt. Die EU kauft den Impfstoff selbst nicht. Die jeweils kontingentierten Mengen werden von den einzelnen Staaten abgerufen und auch von ihnen bezahlt. Alle Verhandlungspunkte und Ergebnisse wurden mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt und gemeinsam entschieden.
Dennoch, durch die im Vergleich zu GB und USA schlechtere Impfsituation bei uns, hat die Akzeptanz der EU europaweit gelitten                            
-dass durch die dringend zu lösenden, aktuellen Probleme und die alles überlagernde Corona-Pandemie die wichtigen, strukturellen Fragen zur Zukunftsausrichtung der Europäischen Union nicht während der deutschen Ratspräsidentschaft in Angriff genommen werden konnten. Dies sind insbesondere die offenen Themen zur Finanz- und Steuerpolitik, zur Migration, zu unseren Vorstellungen zu den freiheitlichen, rechtsstaatlichen Werten und zur Sicherheitspolitik.

Zu Corona-Bonds
Die von der Coronakrise wirtschaftlich besonders stark betroffenen Länder brauchen die europäische Solidarität. Wir müssen die Lasten der Pandemie in der EU gemeinsam tragen. EU-Parlament und Kommission beschlossen deshalb, das Auflegen gemeinschaftlicher EU-Anleihen in Form von Corona-Bonds in Höhe von 750 Milliarden €; davon 500 Milliarden € als nicht rückzahlbares Darlehen und 250 Milliarden € als Kredit, der bis 2058 zurück zu zahlen ist. Die EU-Länder haften gemeinschaftlich für diese Anleihen.
Die Corona-Bonds sind ausschließlich auf die Pandemie bezogen. Es soll keine permanente Einrichtung zu einer Schuldenvergemeinschaftung werden. Die CDU wird nach wie vor einer Schuldenvergemeinschaftung in Form von EURO-Bonds nicht zustimmen.   Einige Länder strebten eine höhere Corona-Bond-Verschuldung an, mit dem Argument einen Gewinn zu erzielen wegen der z. Z. negativen Zinsen. Die CDU will dies nicht.  Sie hat der Einführung von Corona-Bonds zugestimmt, weil es auch für uns nicht gut wäre, wenn wir gut durch die Pandemie kämen und es den Ländern um uns herum schlecht ginge.
Durch die vielen nationalen und europäischen Pandemiehilfen wird sehr viel Geld in den Markt gepumpt. Hieraus wird zu wenig gemacht. Wünschenswert wären mehr strategische Investitionen, z.B. dass ein Teil des Geldes zukunftsorientiert in die Entwicklung eines „Green Deal“ (Klimaschutzmaßnahmen) und in den Ausbau und Fortschritt der Digitalisierung gelenkt würde.

Zum Brexit
Der harte Brexit konnte zum Glück in letzter Minute abgewendet werden.  Noch sind nicht alle Fragen geklärt und müssen noch austariert werden. Z.B. ist der Austausch vieler Daten und auch der Datenschutz mit GB nicht geklärt und noch im Fluss.  Die gute Versorgung GB‘s mit Covid-Impfstoffen und die deutlich bessere Impfquote gegenüber den EU-Ländern wird im Land als positiver Effekt des Brexits gewertet.

Zur Migration
Der Migrationsdruck auf die Außengrenzen Europas bleibt bestehen, besonders aus Richtung Türkei. Er treibt die Länder und Parteien in Europa auseinander.  Kommission und EU-Parlament haben keine Kompetenz zur besseren Regelung der Migration und können hier nicht eingreifen. Das Thema muss dringend zwischen den Ländern selbst geklärt werden, es fragmentiert z.Z. die Gesellschaft und die politischen Gruppierungen.  Wirtschaftlich könnten wir in Deutschland und der EU noch mehr leisten, gesellschaftlich allerdings momentan icht.                                                                                                                                 
Wir brauchen auch in Zukunft qualifizierte Zuwanderung in Deutschland, andererseits können wir nicht jeden, der seine persönliche Situation verbessern möchte, aufnehmen.


Verschiedenes, Grundsätzliches und Diskussion
Die Datenschutzauslegung ist in der in Deutschland oft hysterisch übertriebenen Art nicht immer hilfreich. Das zeigte sich beispielsweise bei der Pandemiebekämpfung, beim digitalen Impfpass, bei der Corona-Warnapp, bei der Terrorismusbekämpfung und beim Gesundheits-schutz. Es kann nicht sein, dass der Datenschutz höher bewertet wird als der Gesundheitsschutz. Die Verhältnisse stimmen nicht mehr und eine Überarbeitung ist erforderlich.
Die Aufnahme und Mitgliedschaft der Türkei in die EU ist in der derzeitigen politischen Ausrichtung dieses Landes nicht vorstellbar und auch nicht vorgesehen.

Eine Weiterentwicklung der Europäischen Union findet schon lange nicht mehr statt. Seit dem Vertrag von Lissabon (2007) ringt die EU mit ihrer Fähigkeit strukturelle Reformen durchzuführen. Sie ist nahezu einflusslos in der Weltpolitik. Wir müssen uns darauf konzentrieren eine handlungsfähige EU zu werden. Dazu brauchen wir den starken Willen als EU politisch überleben zu wollen und eine starke politische Führung. Mehr Politiker mit Mut zur Konfrontation und zur „Revolution“ sind erforderlich. Eine ideologische Herangehensweise ist nicht hilfreich, pragmatisches Vorantreiben ist notwendig. Bedauerlicherweise fehlt es auch in der deutschen Regierung an europäischer Ausrichtung, europapolitischer Orientierung und Visionen.   Es gab sogar schon vereinzelt Ideen die jetzige EU völlig aufzulösen und mit neuer Struktur wieder auf zu bauen. Auch eine Splittung der EU in 2 Blöcke, die mit unterschiedlicher Entwicklungs-geschwindigkeit voranschreiten, ist denkbar und könnte vorteilhaft sein. Man müsste nicht bei jeder Entscheidung auf den Letzten warten
Jedoch sind derartige grundlegend strukturelle Veränderungen nicht erwartbar, solange die derzeitigen Verträge gelten, in denen die Einstimmigkeit der Mitgliedsländer verankert ist. Das Tabu von Vertragsänderungen muss durchbrochen werden. Das können nur die Mitgliedsstaaten, nicht das Parlament.

Wir danken Herrn Voss ganz herzlich für die bereitwilligen, offenen und oft auch sehr kritischen Informationen über alle angesprochenen Themen und Fragen.
Die Video Konferenz war sehr gut vorbereitet und lief störungsfrei und sehr gut ab. Falls wir unsere Präsenzveranstaltungen wegen der Pandemieeinschränkungen noch weiter aussetzen müssen, werden wir – wenn möglich – dieses Video-Format fortsetzen. Wir werden Sie rechtzeitig informieren.

Ihre Senioren Union
Neunkirchen-Seelscheid